Fasten für Gottes Schöpfung

In den vergangenen Wochen konnten wir hier an dieser Stelle, in den Mittwochsimpulsen, bereits mehrfach lesen, dass christliches Fasten nicht „verordneter Zwang“, sondern „freiwilliger Verzicht“ bedeutet. Dieser Verzicht hatte meistens zum Ziel, den eigenen Standpunkt klarer zu erkennen sowie Kraft und Ausrichtung für den weiteren Weg zu erhalten. Eine weitere, zusätzliche Ausrichtung des Fastens ist bewusster Verzicht, damit andere besser leben können und letztendlich Gottes Schöpfung bewahrt wird.

<p ">Im Buch Jesaja 58 wirft Gott seinem Volk vor, dass sie zwar fasten, aber ihr Verzicht nicht dazu führt, dass es Gottes Schöpfung und vor allem den Menschen in seiner Schöpfung besser geht.  Fasten als vorübergehender Verzicht, um vielleicht später alles wieder nachholen zu können, macht keinen Sinn.  „Ist das vielleicht ein Fasttag, wie ich ihn liebe, wenn ihr auf Essen und Trinken verzichtet, euren Kopf hängen lasst und euch im Sack in die Asche setzt? Nennt ihr das ein Fasten, das mir gefällt? Nein, ein Fasten, wie ich es haben will, sieht anders aus! Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Ladet die Hungernden an euren Tisch, nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zum Anziehen und helft allen in eurem Volk, die Hilfe brauchen! Dann strahlt euer Glück auf wie die Sonne am Morgen und eure Wunden heilen schnell; eure guten Taten gehen euch voran und meine Herrlichkeit folgt euch als starker Schutz.“ (Jes 58, 5-9)

„Nennt ihr das ein Fasten, das mir gefällt?“, dieser Frage Gottes müssen wir uns auch heute stellen. Sind wir bereit zu verzichten, damit es Gottes Schöpfung und vor allem anderen Menschen besser geht? Wir leben in dem Teil der Welt, in dem Reichtum und Wohlstand am stärksten ausgeprägt sind und der seit Jahrhunderten als „christliches Abendland“ bezeichnet wird – und trotzdem erfrieren immer noch Obdachlose auf der Straße, wachsen immer mehr Kinder in Armut auf, haben Flüchtlinge in den Lagern vor unseren Grenzen lediglich eine Plastikplane, um sich vor Schnee zu schützen. Die Liste kann weiter fortgesetzt werden, insbesondere, wenn wir über unsere Grenzen hinausschauen. Unser gemeinsamer Wohlstand hat einen Preis, den oft andere bezahlen. Das gilt dafür, wie wir Menschen begegnen, aber auch für unseren Umgang mit der Natur, also für die ganze Schöpfung Gottes. Annette Schavan schreibt in ihrem Buch ‚geistesgegenwärtig sein‘: „Wenn alle in dieser Welt so leben würden wie wir, dann bräuchte es drei Erdkugeln. Es gibt aber nur die eine, auf der wir alle leben. Deshalb brauchen wir neue Prioritäten, die uns helfen, nicht ständig über unsere Verhältnisse und auf Kosten anderer zu leben.“

Wie schwer es ist diese neuen Prioritäten zu setzen zeigt eine Schlagzeile vom 25.01. des Jahres: „Ungleiche Verteilung der Corona-Impfstoffe: Afrika steht am Ende der Warteschlange“. Die Staaten, die am ehesten auf Impfstoffe verzichten könnten, weil die überwiegende Zahl der Menschen relativ einfach sowohl Abstandsregeln als auch Hygienemaßnahmen einhalten können, sichern sich die vorrangige Versorgung mit Impfstoffen. Die Länder, in denen sich viele Menschen an den wenigen Wasserstellen, an den spärlichen Essensausgaben oder in Slums dicht an dicht drängen, gehen zunächst leer aus. Es macht Sinn und es ist richtig, eine Impfreihenfolge nach Bedürftigkeit festzulegen, aber sind hier nicht alle über 80-jährigen, alle Ärzte, Pfleger, Therapeuten, Lehrer - und wie die Reihenfolge auch aussehen mag - weltweit betroffen? Ist es zu viel verlangt, dass alle anderen auf einige (sicher auch liebgewonnene) gewohnte Abläufe in ihrem Leben noch etwas länger verzichten, damit allen Menschen gleich geholfen werden kann? 

Kaum einer von uns wird die Abläufe dieser Welt und unserer Gesellschaft im Alleingang verändern können, aber jeder kann ein Zeichen setzen. Freiwilliger Verzicht, damit es allen besser geht, ist auf vielen Ebenen möglich. Wie das geht, zeigten uns vor gut zwei Jahren Schülerinnen und Schüler eindrucksvoll in ihrer Bewegung „Fridays for Future“. Damals behaupteten viele, dass die Forderungen schön, aber utopisch wären. Reduzierung der weltweiten Reisetätigkeiten – unmöglich ohne Crash der Weltwirtschaft, Elektromobilität – vielleicht in 10 Jahren, usw. Nicht zuletzt die derzeitige Pandemie zeigt, dass wir tatsächlich nicht so viel reisen müssen und die meisten Automobilkonzerne wollen ihre Produktion nun schon in fünf Jahren weitgehend auf Elektrofahrzeuge umstellen. 

Vielleicht fangen wir einmal mit den kleinen Dingen in unserem Alltag an. Statt der Schokolade zum Fernsehen - ein Euro für den Obdachlosen vor dem Supermarkt, statt einer weiteren neuen Anschaffung - eine Spende für eine Hilfsorganisation, statt einer schnell gebuchten „Last Minute“ Pauschalreise - ein gemeinsam mit lieben Menschen geplanter „alternativer“ Urlaub, statt …  Und noch etwas: Wenn wir ehrlich hinschauen, werden wir merken, dass wir manches, auf das wir verzichten, am Ende eigentlich gar nicht brauchen.

Herzliche Grüße
Ulrich Hykes