Martinsfest

„Ich mochte dieses Fest nicht. Es war kalt, ich war klein und habe nichts gesehen, was da vorn passiert ist, die Kerze in der Laterne ging dauernd aus und das Schmalzbrot wollte ich in diesem Alter gar nicht.“ Das ist die Erinnerung meiner Tochter an die Martinsumzüge in ihrer Kinderzeit. 

Was ist dran am Martinstag? Eine Legende erzählt Folgendes: Der römische Soldat Martin war mit seinem Pferd unterwegs. Plötzlich fiel ihm am Wegesrand ein frierender Bettler auf. Er hatte Mitleid mit diesem Armen. Mit seinem Schwert teilte er seinen Umhang und konnte mit der abgetrennten Hälfte diesem Armen helfen und erfror dabei selbst nicht, auch er hatte ja eine Hälfte seines Mantels.

Um Kindern Werte zu vermitteln, gibt es nichts Besseres, als diese in anschaulichen Geschichten zu präsentieren. Diese oben kurz erzählte Geschichte erzählt vom Erkennen einer Not, von Mitleid und vom Teilen. Wenn dieses Fest heute gefeiert wird, gibt es ein süßes Gebäck, eine Brezel, ein Hörnchen, einen Weckmann, je nach Region, und die Kinder sind aufgefordert zu teilen. Such dir einen, mit dem du dein Gebäckstück teilst.

In diesem Jahr wird es keine Martinsumzüge geben, weil es die Gesundheitslage nicht zulässt. Doch man kann zuhause Laternen basteln und sie ins Fenster stellen oder damit spazieren gehen. In manchen Städten wird es die Möglichkeit geben, sich ein Hörnchen an einer Kirche abzuholen und dazu die Geschichte über das Teilen zu hören.

Auch wir „Großen“ dürfen der Legende zuhören und erkennen, was es bedeutet. Wenn wir uns umschauen, werden wir die Nöte des Anderen erkennen. Da geht es um körperliche Beschwerden oder um finanzielle oder um das Kranksein der Seele  oder…. Sei barmherzig, wie auch der Vater barmherzig ist. So heißt die Jahreslosung des kommenden Jahres. Das ist ein Verhaltenszug, den wir mitbekommen haben. Wir dürfen ihn täglich neu ausprobieren. Wir können andere an unserem Reichtum teilhaben lassen, wir können mit unseren Möglichkeiten helfen und heilen. Gerade jetzt, wo wir in unserem alltäglichen Leben eingeschränkt sind, sollen wir die Augen für die Nöte der Anderen offenhalten. Frag nach, ob du deinem Nachbarn helfen kannst. Bring Licht in diese Welt, die sich gerade im November oft so trüb zeigt. Geh mit der „Laterne“ durch diese dunkle Welt und schenke ein Licht denen, die in der Finsternis sind. Nimm dir ein bisschen Zeit zum Zuhören. Ruf die an, von denen du lange nichts gehört hast. Nimm dich derer an, die mit den Auflagen der Coronazeit nicht zurechtkommen. Hör dir an, was dahintersteckt. Oft ist es einfach nur die Angst vor dem Existentiellen.

Und wenn du das nächste Mal einem Armen begegnest, dann überlege, wie du ihm helfen kannst. Ein Eurostück in den Becher eines Bettlers zu legen, macht dich nicht arm und dem Bettler ist es eine Hilfe für diesen Tag.

Lass dich anstecken mit der kindlichen Freude beim Teilen des Martinshörnchens.

Gute Zeit wünscht Elke Heckmann