Da ist noch Luft nach oben!

Ein guter Freund schenkte mir das Buch „Vom Beten“ von Ole Hallesby. „Das wichtigste Gespräch der Welt“, so die Headline auf der Rückseite. Er hatte es mir nach einer Trauerfeier auf dem Kölner Westfriedhof gegeben, die alles andere als „gelungen“ begann.

Stadt und Straße waren im Navi, eine Nummer hatte ich nicht. So tippte ich „20“ ein, den Friedhof würde ich schon finden. Dann immer tiefer Richtung Innenstadt, mehr und mehr Unruhe. Fast wie Erlösung, als vor mir plötzlich dieser Kombi eines Bestatters fuhr. Ich sprang an einer roten Fußgängerampel nach vorn, klopfte an die Scheibe und erbat Auskunft. „Straße stimmt, aber Nee…, Westfriedhof sind ca. 10 km, versuch mal Westendstraße!“ Filmreife Wende und neuer Navi-Status; 8,8 km, mitten durch Ehrenfeld, 30er Zone, Geschäfte, Kaffees, Menschen, Fahrräder, Paketdienste aller Couleurs, Busse, eben „das Köln“, Ankunft 13.21 Uhr definitiv „fake news.“

Meinen Gedanken kreisten wie wild. Von Versagen, Fehler, Schuld, Enttäuschung, Wut und Stress bis „Wie entschuldigen?“ war alles dabei, auch sehr laut. Und beten, beten, beten.

Zwei Tage später lese ich; „Welches ist die Beschaffenheit und die Haltung des Herzens, die Gott als Gebet erkennt? Ole Hallesby nennt 1. Hilflosigkeit und 2. Glaube, ein Déjá-vu. Ich erinnerte, dass es 10 Minuten Kopf-Kino gebraucht hat, bis ich 1. meine Hilflosigkeit körperlich spürte, ja, sie mir total eingestand. Und, auf Höhe der Polizeiwache sah ich viele Fahrzeuge mit Blaulicht die könnten, kann Gott auch? Da war sie 2., die Frage nach dem Glauben.

„Beten und Hilflosigkeit gehören unlöslich zusammen. Es sind sicher nur die Hilflosen, die beten können.“ Das berührt. Hallesby macht keine Umschweife, dass wir oft schöne Gebete sprechen, privat oder öffentlich, ohne dass uns die Hilflosigkeit treibt. Dass wir alles versuchen, bevor wir endlich diesen Weg des Betens gehen. „Höre mein Freund! Deine Hilflosigkeit ist dein bestes Gebet. Sie ruft aus deinem Herzen besser zu Gottes Herzen als alle deine Worte und formulierten Gebete.“

So einfach und doch auch „sperrig“. Wie demütig, ja neu, sich mit der Hilflosigkeit als Begriff und Herzenshaltung auseinanderzusetzen im Kontext unserer Gebetskultur, unserer Gottesbeziehung und dem Zeitgeist.

„Ohne Glauben gibt es kein Gebet, so groß auch die Hilflosigkeit sein mag. Erst Hilflosigkeit und Glauben vereint bringen das Gebet hervor. Ohne Glauben ist die Hilflosigkeit nur ein nutzloser Notschrei in die Nacht.“ Hallesby folgt klar biblischen Glaubens-Worten und nutzt sie als Ermutigung und Orientierung. »Ohne Glauben ist´s unmöglich, Gott zu gefallen« (Hebr 11,6) »Dir geschehe, wie du geglaubt hast« (Matt 8,13) Andererseits erwähnt Ole Hallesby, dass mit dem Glauben der empfindlichste Punkt unseres Gebetslebens berührt wird. Wer hat nicht schon die Erfahrung gemacht, dass sich nicht einstellt, worum wir baten oder eine Antwort ausbleibt, manchmal lange Zeit und folglich die Not entstehen kann, du musst nur „richtig“ glauben. Hier lässt er den Zweifel als Leiden, einen Schmerz oder eine Schwäche zu, die sich zeitweilig über den Glauben legt und ermutigt sogar den Leser mit dem Zuspruch; „Mein zweifelnder Freund! Deine Sache steht gar nicht so schlecht, wie du glaubst. Du hast mehr Glauben als du ahnst. Du hast genug Glauben, um zu beten, ja genug Glauben, um erhört zu werden.“

Für mich der bedeutsamste Gedanke an dieser Stelle, den er über unterschiedliche Verständnisse und Formen der Nachfolge hinausführt lautet; „Das Wesen des Glaubens ist, zu Christus zu kommen. Das ist das erste und letzte und sicherste Zeichen, dass der Glaube noch lebendig ist.“

Zu viel zitiert? Mich haben diese Gedanken zum Beten in der Verbindung von Glauben und Hilflosigkeit nachdenklich gemacht. Vielleicht, weil oft die Fortschrittsgebete, die Bitten ums genauso Weiterkommen und Verdienstliches eben auch Einzug finden in unser Gespräch mit Gott, gar, dass wir glauben ihm helfen zu müssen. Vielleicht, weil wir manchmal meinen, Verlorenheit und Armut sind niemals Glaubensgut und per sé ungenügend. Vielleicht, weil es wichtig ist zu hören, all das ist nichts Beschämendes am Herzen Jesu, ja, sogar schon Gebet.

Die Jahreslosung aus Markus 9,24 „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ findet natürlich Erwähnung im Text von Ole Hallesby. Ich finde, ein guter Ausgangspunkt für das Thema Gebet. Da ist noch Luft nach oben!

Ich bin so dankbar, dass diese Geschichte aus dem Markusevangelium sich auch in Köln-Ehrenfeld wiederholt hat. Die letzten Kilometer war ich sicher und ruhig, ER kann. Ob es sich so erweist, war nicht mehr entscheidend. 13,26 Uhr stand ich auf dem Parkplatz, hatte noch einen anstrengenden Dauerlauf zur Halle und war 2 Minuten vor Halb angekommen. Aufgrund der aktuellen Verhältnisse hatte der Bestatter gerade den Zugang zur Halle freigegeben.

Ich wünsche von Herzen gute Gespräche mit Gott. Dort kommen wir immer gut an.

Ihr Armin Groß