Düsseldorf. Mehr als 400 Mitglieder der Apostolischen Gemeinschaft und der Neuapostolischen Kirche erlebten am Samstag, 29. November 2014, emotionale Augenblicke: Vertreter beider Kirchen unterzeichneten eine „Erklärung zur Versöhnung“ und setzten damit ein historisches Zeichen. Dieses beendet eine für beide Kirchen schwierige Zeit, die mit der Spaltung im Jahr 1955 begonnen hatte.

Die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung war Höhepunkt der „Feierstunde zur Versöhnung“. Dafür war im Kirchenschiff des Gemeindehauses der Apostolischen Gemeinschaft in Düsseldorf anstelle des Altars eine Bühne mit Tisch und Rednerpult aufgebaut worden. Nacheinander unterzeichneten Bezirksapostel Wilfried Klingler (Vorsitzender des Gremiums für besondere Angelegenheiten der Neuapostolischen Kirche), Apostel Armin Groß (Vorsitzender der Apostolischen Gemeinschaft e.V.) und Apostel Matthias Knauth (Sekretär der Vereinigung der Apostel und Bischöfe der Apostolischen Gemeinschaften Europas) das dreiseitige Dokument.

Stammapostel Jean-Luc Schneider, Kirchenpräsident und Leiter der Neuapostolische Kirche International, konnte nicht persönlich vor Ort sein und hatte die Erklärung bereits zuvor unterzeichnet.

Mit Applaus honoriert

Nach der Unterzeichnung  erhoben sich die Teilnehmer   spontan von den Plätzen und spendeten lang anhaltenden Applaus. Viele von ihnen hatten die Trennung der Kirchen – vornehmlich im Rheinland – persönlich miterlebt oder über  lange Jahre Auswirkungen im Familienkreis und in den Gemeinden gespürt. Dementsprechend emotional reagierten  die Anwesenden auf die Ansprachen und die Unterzeichnung des Dokuments.

Mit den Jesu-Worten „Friede sei mit euch“, hatte Apostel Armin Groß um 14 Uhr am Samstag die Besucher zum Festakt willkommen geheißen. Er begrüßte seine Schwestern und Brüder aus der Neuapostolischen Kirche und der Apostolischen Gemeinschaft sowie aus dem ökumenischen Bereich.

Vortrag der Erklärung

Direkt zu Beginn las Bezirksapostel Armin Brinkmann die Erklärung zur Versöhnung vor. Das Dokument wurde in mehreren Treffen von Vertretern beider Kirchen erarbeitet und von deren Leitungsgremien verabschiedet. Zu den Klängen eines Streichquartetts wurde die Erklärung im Anschluss nochmal visualisiert, so dass jeder Besucher Zeit hatte, sich für einige Momente mit den Inhalten zu beschäftigen.

In der Erklärung erkennen sich die Apostolische Gemeinschaft und die Neuapostolische Kirche gegenseitig als selbstständige Kirchen mit eigenständigem Profil an. Zudem entschuldigt sich die Kirchenleitung der Neuapostolischen Kirche ausdrücklich bei den Amtsträgern, die wegen dieser Vorgänge aus der Kirche ausgeschlossen wurden sowie bei allen, die dadurch in Mitleidenschaft gerieten. „Beide Kirchen bedauern die Spannungen, die in der Zeit nach der Trennung zwischen den Gemeinden und ihren Mitgliedern entstanden sind“, heißt es weiter.

Rückblick auf Zwischenschritte

In einem Vortrag erinnerte Bezirksapostel Wilfried Klingler an besondere Ereignisse, die der Versöhnung der beiden Kirchen vorausgegangen waren. 1987 ermunterte Stammapostel Hans Urwyler die Gläubigen im Rheinland, auf die Schwestern und Brüder der Apostolischen Gemeinschaft zuzugehen und Gemeinsamkeiten des apostolischen Glaubens zu suchen. Stammapostel Richard Fehr hatte im Jahr 2000 zu einem Konzil Vertreter vieler apostolischer Kirchen nach Zürich eingeladen.

Nach einem Informationsabend 2007, bei dem die Neuapostolische Kirche ihre Sicht auf die Ereignisse vorgestellt hatte, folgte eine Zeit der Irritationen und Sprachlosigkeit. „Für die Neuapostolische Kirche auch eine Zeit tiefer Nachdenklichkeit“, erinnerte Bezirksapostel Klingler. In der Folgezeit habe der nordrhein-westfälische Bezirksapostel i.R. Hermann Engelauf Kontakt zu seinem langjährigen Freund Werner Kuhlen, dem Sohn des damaligen Bezirksapostels Peter Kuhlen, hergestellt, um Möglichkeiten zur Versöhnung auszuloten. Auf dem Europa-Jugendtag 2009 folgte ein Appell von Stammapostel Wilhelm Leber, der Fehler der Kirche eingestand: „Ich strecke beide Hände zur Versöhnung aus.“

Im Frühjahr 2013 veröffentlichte Stammapostel Leber kurz vor seiner Ruhesetzung eine Erklärung zur Botschaft von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff und erklärte, dass die Kirche nicht mehr an der Göttlichkeit der Botschaft festhalte.

In einem Ausblick wünschte sich der Kirchenpräsident der Neuapostolischen Kirche Mitteldeutschland, dass es auch zu einer Versöhnung mit den Schwestern und Brüdern komme, die im Jahr 1921 den Aposteln Carl August Brückner und Max Ecke nach deren Ausschluss im Bereich Sachsen nachgefolgt waren. „Wir reichen auch euch beide Hände zur Versöhnung.“

Ein Neuanfang für jeden

Apostel Armin Groß, ermunterte alle Anwesenden, einen Neuanfang nach der Versöhnung zu machen: „Für mich hat sich der Ausgangspunkt um 59 Jahre auf den heutigen 29. November 2014 verschoben.“ Mit der Erklärung sei ein erster wesentlicher Schritt getan, doch nun komme es auf jeden einzelnen an, wie er persönlich die Versöhnung angehe.

„Versöhnung ist die Veränderung zum Guten“, betonte er. Die Geschichte könne man nicht ändern, aber nun gebe es einen neuen Start. Er wünschte, dass jeder Teilnehmer seinen eigenen Weg zur Versöhnung finde. Jede Feier, als Beispiel nannte er die Konfirmation, sei der Beginn einer neuen Entwicklung und diese beginne für beide Kirchen mit dem heutigen Tag.

„Besonders dankbar bin ich für die aufrichtige Entschuldigung der Neuapostolischen Kirche“, betonte er. Daraus erwachse neues Vertrauen. Er nehme diese Entschuldigung von ganzem Herzen an und wünsche den Mitgliedern beider Kirchen den Frieden Gottes.

Versöhnung zwischen den Menschen

Der Jugendchor der Apostolischen Gemeinschaft Düsseldorf bereitete die Unterschriftenzeremonie mit dem Stück „Sieh das Lamm Gottes“ vor. Wie die Christen die Versöhnung mit Gott im Heiligen Abendmahl feiern, geschehe Versöhnung nun heute zwischen Menschen, hatte Bischof Ulrich Hykes das Stück anmoderiert.

Ein Streichquartett der Neuapostolischen Kirche begleitete die Unterschriften mit dem Air von Bach.

Mit- und füreinander in die Zukunft

Abschließend richtete Bezirksapostel Rainer Storck (Nordrhein-Westfalen) einige Worte an die Anwesenden. Er berichtete aus seinen Erfahrungen als Kind und Bezirksältester mit Vertretern der Apostolischen Gemeinschaft in Kamp-Lintfort und Krefeld. Im Laufe der Jahre sei für ihn persönlich aus dem Gegeneinander ein Miteinander und schließlich ein Füreinander geworden. „Als selbstständige Kirchen mit eigenem Profil gelte es, künftig miteinander und füreinander im Kreis der christlichen Kirchen den Weg zu gehen“, schloss er und beendete die Feierstunde mit Gebet.

Die Bewegung über den Festakt war vielen Besuchern anzusehen, als sie nach dem offiziellen Teil Bekannte begrüßten und mit den Vertretern beider Kirchen ins Gespräch kamen. (Frank Schuldt/Volker Wissen)

Text der Erklärung hier
Tonaufnahme der Veranstaltung hier

Videoaufnahme der Veranstaltung hier

(Bi. Hykes, Bezap. Storck, Bezap.i.R. Brinkmann, Stammap.i.R. Leber, Bez.ap. Klingler, Ap. Knauth, Ap. Groß)